Einem geschenkten Gaul schaut man ins Maul
Donnerstag, 31.08.2006, 20:51 | Ivo im Zivildienst, vom Ivo | IvoNach fünfeinhalb Monaten Zivildienst im Hôpital Sud Fribourgeois in Riaz, 180 Diensttagen (entspricht 120 Militärdiensttagen), 48-mal Zugfahren und mehreren hundert Kilometern Patiententransport hätte ich eigentlich bereits seit Samstag Ferien verdient. Weil dem jedoch nicht so ist (die Gründe dafür folgen), habe ich Zeit für einen kurzen Rückblick und den damit zweiten Beitrag zur äusserst erfolgreichen Serie «Ivo im Zivildienst».
Bei einem Rückblick stellt sich natürlich immer die Frage: Was habe ich denn eigentlich in dieser Zeit gelernt? Nun, ich habe vieles gelernt:
Sicher habe ich (1) ein wenig Französisch gelernt. Entgegen allen bösen Vermutungen – wie Armin jetzt sagen würde – meine ich damit nicht «umgangssprachlich eine sexuelle Praktik» (danke an Wikipedia), sondern die gleichnamige, jedoch weniger bekannte Sprache. Mein Wortschatz beschränkt sich natürlich sehr einseitig auf transport-medizinische Begriffe und so ist es auch keine Überraschung, dass ich wohl besser verschiedene Röntgentechniken auf Französisch erklären kann, als in der Migros in Bulle nach Rüebli zu fragen.
Da in einem menschlichen Gehirn nur Platz für zwei aktive Sprachen ist, (was jedoch keinesfalls wissenschaftlich bewiesen ist) habe ich einen grossen Teil meiner Englischkenntnisse vergessen. Das habe ich auch ausführlich gelernt und geübt: (2) zu vergessen bzw. zu vernachlässigen. Beispielsweise zeigt dies meine massive Vernachlässigung meiner arminundivo.ch-Pflichten. Meine Statistik weist durchschnittlich vier Einträgen pro Jahr Zivildienst auf. Hochgerechnet auf meine gesamthaft zu leistenden 387 Diensttage ergibt sich ein Total von ungefähr 4⅓ Einträgen. Aus dieser sehr geringen Summe schliesse ich auch – und «aus etwas schliessen» ist bestimmt auch lernen –, dass (3) die Anzahl Blogeinträge vom Ivo nicht proportional zu seiner Anzahl Erlebnissen oder gar seiner Aktivität ist. Denn aktiv war ich während meinem Zivildienst ganz bestimmt: An ruhigen Tagen habe ich etwa zwanzig Transporte (Einheit TpT: Transporte pro Tag) unternommen, wobei an solchen Tagen noch reichlich Zeit für Lesen, Nachdenken, Ausruhen, Sudoku lösen und Schlafen blieb; voll ausgelastet wäre ich wohl erst bei einer Rate von sechzig TpT gewesen, welche jedoch nie erreicht wurde. Trotzdem summieren sich diese 180 (minus Wochenenden, Ferien und Feiertage) mehrheitlich ruhigen Diensttage auf schätzungsweise
Bei (fast) jedem Transport habe ich natürlich auch rege unsere Fahrstühle der Marke Otis (nachstehend «Lifte» genannt) benützt. Ich habe wohl auch gelernt, dass man diese mehrere Tausend Male pro Halbjahr benutzen kann; darauf will ich aber nicht hinaus. Vielmehr habe ich gelernt, (5) mit unseren Liften zu kommunizieren, mich in sie hinein zu versetzen, sie zu verstehen. Ich weiss immer, wo sie sind, was sie dort tun und wieso. Ich kenne sie. Sie kennen mich. Wenn ich den Liftknopf drücke, rufe ich nicht einfach den Lift, ich tausche mein ganzes Wesen mit dem Lift aus. Wir leben in einer absoluten Symbiose. Ich kenne jede ihrer Macken, sie kennen jede meiner. Und wir wissen sie auszunützen. Die Macht sei mit uns!
Nun, leider (6) gibt es auch höhere Mächte als die meiner Liftsymbiose: Wie gesagt, eigentlich hätte ich ja schon seit Samstag Ferien verdient. Eigentlich ist meine Chefin auch dieser Meinung und eigentlich hat sie mir auch schon ab Samstag Ferien gegeben. Nur hat sie letzte Woche (!) gemerkt, dass die Länge dieser Ferien meinen zivildienstgesetzliche Ferienanspruch überschreitet. Was mir recht und dem Spital nicht ganz so recht ist, ist für den Staat untragbar. Also muss ich mangels gesetzlicher Rechtfertigung meine Ferien kürzen, meinen Flug umbuchen, meine Pläne ändern und dazu noch eine Woche länger arbeiten. (7) Mit dem Staat ist also nicht zu spassen!
Eigentlich hätte ich ja wissen müssen, dass mir nur acht Ferientage zustehen. Doch wie viele Leute weisen schon geschenkte Ferien ab? Zu wenige, wie ich gelernt habe. Und deshalb mein Tipp: (8) Einem geschenkten Gaul schaut man eben doch ins Maul!